Lene-Voigt-Gesellschaft e.V.

Informationen zu Leben und Werk der Autorin und zur Arbeit der Gesellschaft


Sang der Möblierten

1935

Das mögen so ein Dutzend Zimmer sein,
Die in verschiednen Städten man bezogen.
Mitunter stellt ihr Bild sich wieder ein
Und kommt uns nächtlich durch den Traum geflogen.

Hier war´s ein Lesewinkel, traut und nett,
Wie wir ihn anderswo nie wiederfanden,
Dort gab´s das allerschönste Schlummerbett,
In dem je müde Glieder durften landen.

In Düsseldorf stand ein Klavier im Raum,
Wir suchten zag im Dämmern Melodien.
Im Garten rauschte der Kastanienbaum…
Dann kam der Abschied und das Weiterziehen.

Nach jeder Richtung: Norden, Süd, Ost, West,
Hat unser Fenster schon einmal gelegen;
Bis uns die letzte Wohnstatt einst hält fest
Und setzt ein Ziel den Erdenwegen.


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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De Azaliche

1936

Unser Lieblingsblumdobb schteht mal wieder
Jetz in seiner wunderscheensten Bracht.
Jedes Jahr um diese Zeit da bliehtr
Un so hatrsch diesmal ooch gemacht.

Jeden Morchen schtaun mir nu uffs neie,
Wie där gleene Gerl sich Miehe gibt.
Sin geriehrt von seiner Wachsdumsdree.
Wehe däm. Där an de Blieten dibbt!

Die hamm alle burburrode Blättchen,
Bißchen heller nachn Rande hin.
Un mir bleim drbei: Im ganzen Schtädtchen
Gann gee eenzcher Blumdobb scheener sin.


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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Gefühls-Skala

1925

Herr Bämmchen, vor der Haustür stehend, zu seinem Pintscher: »Nu gomm, mei kudes Hundchn, jädds wolln mr alle beede wied nuff beis Frauchn gehen, nich wahr? – Hasdes geheerd, mei Schnuggchn? De mußd doch hibbsch ardj sin und scheene foljn wenn dei Härrichn feifd.- War Fibbsel was issn das nur heide mid dir? De bisd doch sonsd immr so ä braves Dierchn! Nu mache, gomm! S’ Härrichn grijd galde Beene hier hausn. – Jädds machd’ch war wärglich wissen, was in dich gleenes Biesd gefahren is! Sowas gränzd doch an Subordinazion! Nu, das verschdehsde nadierlich nich in dein Hundsgehärne.War jedenfalls gommsde jädds ändlich ruff! Looos! – Nu, wo sausde denänn nu wiedr hin, dummes Ludr? H i e r wohn mr doch! – Jädds wär’ch war eeglich, du Glabbsr! Dänksde villeichd ich willmr hier s’ Reißn holn wäjn dir Borschdenbiesd? So ä niederdrächdjes Insdr wie dich gibbs doch in gans Gonnewidds nich zum zweedn Male!« (Haut ihm eins über.) »Siehsde du Schandnubbl, warum gehds dänne jädds? Beinahe hädde sich dei armes Härrichn uffgeräjd wäjn dir Sauijl!«


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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Am Hauptbahnhof…

1919

Ein Kommen und Gehen
Und Ebben und Fluten,
Ein Suchen und Spähen
Und Hasten und Sputen.
Es zittert die Halle,
Es tosen Maschinen.
Fort wollen sie alle,
Die dort gleich Lawinen
Sich stoßen und drängen
In zahllosen Mengen.

Manch Auge in Tränen!
Ein heimatlich Sehnen
Noch nicht überwunden,
Getrennt erst seit Stunden
Von allen den Lieben,
Die andernorts blieben.
Ein Zweiter zieht heiter
Und frohgemut weiter
In leuchtende Fernen,
Vertraut seinen Sternen.
Macht nimmer sich Sorgen
Um fragliches Morgen.

Ein Bild ist’s vom Leben:
Erscheinen – Entschweben
Im bunten Gewühle. – –
Was wartet am Ziele?


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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Unverwüstlich

1935

Was Sachsen sin von echtem Schlaach,
die sin nich dod zu griechn.
Drifft die ooch Gummer Daach fier Daach,
ihr froher Mut wärd siechen.

»Das gonnte noch viel schlimmer gomm’«
so feixen richtche Sachsen.
Was andre forchtbar schwär genomm´,
dem fiehlnse sich gewachsen.

Un schwimm´ de letzten Felle fort,
dann schwimmse mit und landen dort,
wo die emal ans Ufer dreim.
So is das un so wärds ooch bleim.


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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