Lene-Voigt-Gesellschaft e.V.

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Lene Voigt, die zweite: Ich weeß nich, mir isses so gomisch

Es gibt ja nicht viele Bilder von Lene Voigt. Auf manchen sieht die »sächsische Nachtigall« aus wie eine fleißige Verlagskontoristin. War sie ja auch eine Zeit lang: beim renommierten Insel Verlag Anton Kippenberg. Es gibt auch eins, da sieht sie wie eine schüchterne Volksschulabsolventin aus. Auch das war sie. Ist immer die Frage: Welches kommt aufs Cover für den nächsten Band ihrer Werkausgabe? Die erscheint ja bekanntlich in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung und flattert jetzt mit Band zwei auf die weihnachtlichen Ladentische: mit Lene als Kontoristin und dem schönen Titel »Ich weeß nich, mir isses so gomisch«.

Drin stecken Lenes klassische Werke: Die »Säk’schen Balladen«, Teil 1, aus dem Jahr 1925 und deren zweiten Teil aus dem Jahr 1929. Verschiedene Rezensenten behaupten, Goethe, Schiller und Co. hätten sich gegraust beim Anblick dieser Enkelkinder ihrer hohen Dichtkunst. Andere sind sich sicher, dass Lene für ihre begnadete Umgangsweise mit dem Stoff und die filigrane Abwandlung zu gänzlich sächsischen Moritaten die Bewunderung selbst von Dichtergott Johann Wolfgang bekommen hätte.

Fest steht: Lene Voigt ist keine Mundart-Dichterin. Sie will niemandem das Sächsische als heimatliche Märchenstunde andrehen. Sie nutzt die Leipziger Spielart des Obersächsischen zu gnadenlos geschliffener Ironie, nimmt Menschen, Moden und Macken aufs Korn. Auch dann, wenn sie klassische Balladenstoffe hernimmt und umstrickt. Tatsächlich umstrickt. Anders als platte Übersetzungen aus dem Hochdeutschen ins Idiom machen ihre Texte die überhobene Pose zunichte, holen den Text so gründlich vom Sockel, dass er verschwindet. Was dahinter erscheint ist sächsischer Mutterwitz.

Wir wollen ja nicht zu viel fordern. Aber an einem Buch über die Mutter der Lene Voigt arbeiten Monica Schütte, Gabriele Trillhaase und Wolfgang U. Schütte, die drei Herausgeber, noch lange nicht. Leider. So eine Werkausgabe kostet Zeit – und Nerven. Mit diesem Band präsentieren sie die »Nachtigall« in ihrer Bestform. Und natürlich mit den wichtigsten Texten, mit denen Sachsen und Gastsachsen ganze Säle zum Brüllen bringen können. Vorausgesetzt, sie beherrschen den feinen, gestochen genauen Zungenschlag der Dichterin. Denn auch das muss betont werden: Lene Voigt schreibt ein kluges, bissiges und passgenaues Leipziger Sächsisch. Sie määrt nicht, nörscheelt nicht. Ihre Pointen sitzen.

Das hat schon mancher Teilnehmer des Wettbewerbs um die Gaffeeganne zu spüren bekommen: Wenn der Text nicht sitzt, kommt auch die Pointe nicht rüber. Da muss einer schon im Stoff stehen und Lenes Lust begreifen, mit den Worten ihrer Muttersprache deftig, ehrlich und frivol an der richtigen Stelle zuzulangen. Da verwandeln sich Balladen in Satiren und abendfüllende Dramen in blitzende Kammerspiele. Auch die sind drin: Beide Sammlungen der »Säk’schen Glassiger«, Band 1 im Jahr 1925 erschienen, Band 2 zwei Jahre später.

Den ersten Band hat Lene Voigt übrigens Hans Natonek gewidmet, seit 1923 Redakteur der »Neuen Leipziger Zeitung«. Aus Dankbarkeit natürlich, denn Natonek sorgte dafür, dass immer wieder mal ein Text von Lene Voigt ins Blatt rutschte. Interessant ist aber auch, dass Natonek in dieser Zeit bei der NLZ ein Kollege von Erich Kästner war, der ja auch so manches Gedicht unterzubringen hatte. Lene und Erich – das wäre nun wieder ein eigenes Kapitel, das in diesem Buch leider keinen Platz fand.

Dafür können sich Freunde der Lene Voigt noch auf drei weitere Sammelbände mit ihren Texten freuen. Der nächste ist für die Buchmesse im Frühjahr geplant. Erst im Oktober 2006 kommt dann die große Biographie der Lene Voigt, an der Monica und Wolfgang U. Schütte schreiben. Bis dahin muss man es aushalten mit »De Bärchschaft« und »Dr Daucher«, mit »De Weiwr von Weinsbärch« und »’s Gaffeegeschbänst«. Alles in diesem Buch, das sich wieder edel ausnimmt im dunklen Blau wie Band 1.

Ralf Julke

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von LIZzy – die Leipziger Internet-Zeitung.


Datum: Mittwoch, 15. Dezember 2004
Kategorien: Allgemeines, Publikationen

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