Lene-Voigt-Gesellschaft e.V.

Informationen zu Leben und Werk der Autorin und zur Arbeit der Gesellschaft


Naus in die Ferne!

1935

Daß mir Sachsen gerne reisen,
Is wohl iberall begannt.
Wenn de ärschten Schwälbchen greisen,
Da hält’s geen mähr recht im Land.

Wärsch nur ärchendwie gann machen,
Schniert sei Bindel un zieht los.
Das sin so Verärbungssachen,
Mitn Ferndrieb wärn mir groß.

Meine Obas alle beede
Liebten ’s Wandern ooch so sähr.
Jeder Lenz die nauswärts drehte…
Un ich zuckle hinterhär.


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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Aus Fritzchens Aufsatzheft

Die Katze

1928

Die Katze ist ein Säugetier, was schleicht, wenn ankommt. Wenn aber ein Glöckchen um den Hals hängt, dann bimmelt es, wie bei der Tante Laura ihrer. Die Katze hat ein schönes weiches Fell, wo alte Leute sich um die Gestalt binden beim Reißen. Ich meine das Kreuz und nicht mit der Eisenbahn. Hinten ist der Schwanz, aber man darf leider nicht daran ziehen, weil sonst wild wird. Die Katze hat grüne Augen und zwinkert bei Tage damit, wie der Schlächtermeister Schulze, wenn der Köchin einen Witz erzählt. Im Keller geht die Katze auf Mäusejagd und glüht dazu mit den Augen. Da werden die Mäuse wohl denken, ein Auto kommt. An jeder Katze sind vier Beine befestigt mit Krallen untendran, womit sie die Menschheit zerkratzt. Darum sagt man auch, die Katze ist kratziös. Manchmal in der Nacht kommt aus den Katzen ein schmerzlicher Gesang und die aufgewachte Bevölkerung gießt Wasser drauf. Aber dem Herrn Professor im Nebenhaus hat das Strafe gekostet, weil nicht die Katze getroffen hat, wo aufs Dach saß, sondern den Schutzmann. Wenn eine Katze in der Familie ist, haben es die Kinder gut, weil dann die lieben Eltern niemals genau wissen, wer in der Speisekammer geklaut hat.


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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Sang der Möblierten

1935

Das mögen so ein Dutzend Zimmer sein,
Die in verschiednen Städten man bezogen.
Mitunter stellt ihr Bild sich wieder ein
Und kommt uns nächtlich durch den Traum geflogen.

Hier war´s ein Lesewinkel, traut und nett,
Wie wir ihn anderswo nie wiederfanden,
Dort gab´s das allerschönste Schlummerbett,
In dem je müde Glieder durften landen.

In Düsseldorf stand ein Klavier im Raum,
Wir suchten zag im Dämmern Melodien.
Im Garten rauschte der Kastanienbaum…
Dann kam der Abschied und das Weiterziehen.

Nach jeder Richtung: Norden, Süd, Ost, West,
Hat unser Fenster schon einmal gelegen;
Bis uns die letzte Wohnstatt einst hält fest
Und setzt ein Ziel den Erdenwegen.


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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De Azaliche

1936

Unser Lieblingsblumdobb schteht mal wieder
Jetz in seiner wunderscheensten Bracht.
Jedes Jahr um diese Zeit da bliehtr
Un so hatrsch diesmal ooch gemacht.

Jeden Morchen schtaun mir nu uffs neie,
Wie där gleene Gerl sich Miehe gibt.
Sin geriehrt von seiner Wachsdumsdree.
Wehe däm. Där an de Blieten dibbt!

Die hamm alle burburrode Blättchen,
Bißchen heller nachn Rande hin.
Un mir bleim drbei: Im ganzen Schtädtchen
Gann gee eenzcher Blumdobb scheener sin.


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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Am Hauptbahnhof…

1919

Ein Kommen und Gehen
Und Ebben und Fluten,
Ein Suchen und Spähen
Und Hasten und Sputen.
Es zittert die Halle,
Es tosen Maschinen.
Fort wollen sie alle,
Die dort gleich Lawinen
Sich stoßen und drängen
In zahllosen Mengen.

Manch Auge in Tränen!
Ein heimatlich Sehnen
Noch nicht überwunden,
Getrennt erst seit Stunden
Von allen den Lieben,
Die andernorts blieben.
Ein Zweiter zieht heiter
Und frohgemut weiter
In leuchtende Fernen,
Vertraut seinen Sternen.
Macht nimmer sich Sorgen
Um fragliches Morgen.

Ein Bild ist’s vom Leben:
Erscheinen – Entschweben
Im bunten Gewühle. – –
Was wartet am Ziele?


Datum: Samstag, 1. Januar 2000
Kategorien: Leseproben
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